Besuch eines Zeitzeugen

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26.04.2013

Es heißt, der Mensch lebt von Erinnerungen. Dazu werden die neunten Klassen der Realschule Rottweil jährlich an die Vergangenheit, genauer gesagt an die Zeit der Konzentrationslager erinnert.

Nach dem Besuch des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof bei Straßburg bot sich für einige Schüler und Schülerinnen die einmalige Gelegenheit, einen Zeitzeugen zu befragen: Der heute 85-jährige Eugeniusz Dabrowski wurde 1928 in Warschau geboren. Bei seinem Besuch an der Realschule wurde er von seinem Sohn und einer Dolmetscherin begleitet.

Nach dem Angriff der deutschen und russischen Truppen wurde durch Hitler die Todesstrafe für jeden verhängt, der einen Juden versteckt hielt. Auch die Familie Dabrowski beherbergte einen Juden, der sich drei Tage in der Woche bei ihnen aufhielt. Als nach einem Verrat durch einen befreundeten Deutschen die Wohnung durchsucht und kein Jude vorgefunden wurde, nahmen die SS-Soldaten die ganze Familie fest. Nur Eugeniusz` 19-jährigen Bruder gelang die Flucht aus dem Viehwagen auf dem Weg nach Auschwitz-Birkenau.

Bei der Ankunft vernahm der damals 13-jährige einen süßlichen Geruch; den Geruch verbrannter Menschen, der aus vier Krematorien strömte. In einem Waschraum wurden den Neuankömmlingen die Haare abrasiert und gestreifte Kleidung mit Winkeln und Nummern angezogen. Nach der Trennung von seiner Mutter und seinen drei Schwestern teilte sich Eugeniusz eine Pritsche mit drei weiteren Häftlingen und seinem sechsjährigen Neffen, der bereits nach zwei Wochen starb. Er erlebte außer dem Tod seines Neffen noch viele schreckliche Dinge, wie zum Beispiel den Tod eines Franzosen am Elektrozaun oder das Leid einer Frau, die während eines Appells ihr Kind zur Welt brachte. Nach langer Qual durch Ungeziefer, Dreck, Hunger und Durst in Auschwitz wurden Eugeniusz und andere Gefangene in Richtung der französischen Grenze in das Lager nach Bisingen gebracht. Dort arbeitete er für etwa zwei Wochen beim Aufbau des Lagers mit. Danach ging es weiter nach Dautmergen. Im regnerischen Herbst 1944 arbeitete er beim Ausheben eines Grabens.

Einige Zeit später kam er in das Krankenlager Vaihingen/Enz, das vielmehr als Sterbelager diente. Es starben viele Häftlinge an Tuberkulose, Durchfall und Lungenentzündungen, da sie sich zu fünft eine halbe Aspirin teilen mussten. In diesem Lager wurden die Häftlinge zum Graben von Tunnels eingesetzt. Dabei mussten sie die scharfkantigen Schieferplatten mit bloßen Händen wegräumen. An Weihnachten 1944 wollte der 16-jährige Eugeniusz mit einem 14-jährigen Russen Kartoffelschalen aus der Küche der SS-Soldaten stehlen. Auf dem Rückweg wurden sie jedoch von den Wachen erwischt und halb tot geprügelt.

Somit kam er schwer krank nach Dachau. Da er ständig krank war und sich kaum erholte, konnte er nicht arbeiten. Nachdem die Amerikaner immer näher kamen gab man den Befehl, alle Häftlinge ausnahmslos zu vernichten. Als die Amerikaner die Ausführung dieses Befehls verhindern konnten gab es trotzdem viele Tote, da sie das normale Essen nicht mehr gewohnt waren und so starken Durchfall erlitten. Nach etwa zwei Wochen wurde Eugeniusz aus der Obhut der amerikanischen Ärzte entlassen und kehrte über Österreich und Tschechien zurück in das stark zerstörte Warschau. Dort fand er einen Teil seiner Familie durch Vermisstenanzeigen wieder. Auch der Kontakt zu dem damals beherbergten Juden, der in Amerika lebt, entstand wieder und hält heute noch.

Eugeniusz Dabrowski (Mitte) mit seinem Sohn und der Dolmetscherin: